von Simone_k » 11 Jun 2009 15:46
Liebe Frederike,
warum antworte ich dir? Ich bin nicht unmittelbar vom Sterben bedroht, denn meine Krankheit stagniert zur Zeit, nach mehreren starken Schüben. In deiner Angst erkenne ich meine eigene Angst vor dem Tod wieder und mir hilft die Beschäftigung damit, ihm sozusagen fest in die Augen zu schauen.
Obwohl du hoffentlich bald wieder gesünder und kräftiger sein wirst, möchte ich dir diese Passage aus einem Buch von Phyllis Krystal (Econ, Frei von Angst und Ablehnung) zeigen, einer energischen älteren Dame, die ich 2001 bei einem Vortrag kennengelernt habe.
„In einem weiteren Fall, den ich schildern möchte, befand sich eine krebskranke Frau in den letzten Stadien ihrer Krankheit. Sie besaß jedoch im Gegensatz zu den beiden vorher genannten Personen einen tiefen Glauben an Gott. Auch sie hatte einen sehr starken Willen und war nicht nur an ihre Kinder und Enkel ungewöhnlich stark gebunden, sondern auch an ihr Geld und ihren Besitz. …
Auch sie bewegte sich zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit hin und her, und wenn sie bei sich war, konnte sie sprechen, wobei sie uns oft anvertraute, dass sie nicht sterben wolle und dass ihr die Aussicht, alles was ihr vertraut war, hinter sich lassen zu müssen, große Angst mache. Ihr Wille war so stark, dass sie sich an das Leben klammerte, obwohl es offensichtlich war, dass ihre physische Energie zu Ende ging.
Sie klagte immer wieder darüber, entsetzliche Angst bei dem Gedanken zu haben, dass sie nun alles, was sie liebte, hinter sich lassen müsse, besonders ihre Familie, und dass sie vor dem Alleinsein Angst habe. Sie hatte ihr Leben lang Angst vor der Einsamkeit gehabt, und dies war auch der Grund dafür, dass sie sich so verzweifelt an ihre Kinder geklammert hatte.
Ich sprach mit ihr über Befreiung und schlug ihr vor, über die materielle Welt hinwegzuschauen und zu sehen, ob sie bereits Verstorbene, Verwandte oder Freunde erkennen könne, die sie vielleicht erwarteten. …
Sie beschrieb eine große, mütterliche Frau (ihre Großmutter), die ihr beide Arme entgegenstreckte. Ich ermunterte sie dazu, in diese Arme hineinzulaufen, die sie willkommen hießen…
…
Für die Familienangehörigen ist es ebenso wichtig, rechtzeitig auf dieses Ereignis vorbereitet zu werden, wie für den Menschen, der dabei ist, seinen physischen Körper zu verlassen. …
Für Menschen, die noch nicht über den Tod belehrt worden sind, ist es hilfreich, täglich von jemandem besucht und gepflegt zu werden, der sie darauf vorbereitet, das herannahende Ableben akzeptieren zu können.
So wie die Menschen dem Leben auf viele verschiedene Arten begegnen, gehen sie auch auf den Tod mit sehr unterschiedlichen Auffassungen zu, die von den Glaubenshaltungen während ihres Lebens abhängen, von ihrer körperlichen Verfassung und von den verschiedenen Bindungen an den irdischen Schauplatz. …“
Wie gesagt, ich denke, dass du hoffentlich nicht zu den bald Sterbenden gehörst(!), aber vielleicht nimmt dir die Beschäftigung damit ein Stück Angst.
Frederike, ich wünsche dir, dass du einen konstruktiven Weg für den Umgang mit deiner Angst findest, und bei allem behalte deine Klarheit und Stärke in der Schwäche, alles Gute, Simone